Der HS-Omega-3 Index® in Schwangerschaft und Stillzeit
Werdende Mütter in Deutschland haben einen niedrigen HS-Omega-3 Index® (6.62+1.39%), wie in einer bundesweiten Untersuchung in Deutschland erkannt wurde (Gellert et al, 2016). Bemerkenswert war die große inter-individuelle Streuung der Messwerte (3.81-11.10%). Schwangere, die ihre Ernährung – wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen - mit EPA und DHA anreicherten, hatten etwas höhere Spiegel (7.73+1.28%), lagen aber in der Mehrheit unter dem empfohlenen Zielbereich für den HS-Omega-3 Index® von 8 – 11%; auch hier war die inter-individuelle Streuung groß (4.61-11.08). Bemerkenswert und bedauerlich ist, dass nur 15% der Schwangeren ihre Ernährung mit EPA und DHA anreicherten (Gellert et al, 2016). In der Placenta arbeiten spezialisierte Protein als Fettsäure-Pumpen, die versuchen, den Fötus auf einen Omega-3 Index von ca. 10% einzustellen (Dunstan et al, 2004; Kuipers et al, 2011). Der Zielbereich für den HS-Omega-3 Index® ist bei Schwangeren also von der Natur vorgegeben.
Der aktive Transport durch die Placenta geht selbstverständlich zu Lasten der werdenden Mutter, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass man nach der Schwangerschaft, also bei stillenden Frauen in Deutschland, einen noch niedrigeren HS-Omega-3 Index® findet, als bei Schwangeren (Gellert et al, 2016). Muttermilch kann durch Erhöhung der DHA-Zufuhr der Stillenden mit DHA angereichert werden.
Ein HS-Omega-3 Index® im Zielbereich von 8 -11% hat für Schwangere, Mutter und Kind fundamentale Bedeutung, die im Folgenden erläutert wird. Deshalb sind wir der Meinung, dass vor, während und nach der Schwangerschaft der HS-Omega-3 Index® bestimmt werden sollte, und eine individuelle Anreicherung der Ernährung mit dem Ziel eine HS-Omega-3 Index® im von der Natur vorgegebenen Zielbereich erfolgen sollte.
- HS-Omega-3 Index® und perinatale Mortalität
In einer großen Interventionsstudie, an der 2399 Schwangere ab der 21. Schwangerschaftswoche teilnahmen, reduzierten 100 mg EPA und 800 mg DHA täglich die perinatale Mortalität um 75%, im Vergleich zu Placebo (Makrides et al, 2010). Durch die Intervention stieg der mittlere Omega-3 Index in der Verumgruppe auf 8,0%, während er in der Placebogruppe 6,4% betrug (Muhlhausler et al, 2014). Der Placebowert ist vergleichbar mit dem Mittelwert der deutschen Schwangeren (Gellert et al, 2016), und deutlich unter dem Zielbereich von 8 – 11%. Dieser Zielbereich muss einerseits aufgrund der Kinetiken der Fettsäurepumpen in der Placenta, andererseits aufgrund der gerade genannten deutlichen Reduktion der perinatalen Mortalität auch für die Schwangerschaft angenommen werden (Dunstan et al, 2004; Kuipers et al, 2011; Makrides et al, 2010; Muhlhausler et al, 2014). In einer Meta-Analyse, die insgesamt 7 Interventionsstudien an insgesamt 6751 Schwangeren umfasste, bestätigte sich dieser Befund, mit einer Reduktion des perinatalen Kindstodes um 49% (Kar et al, 2016). Diese deutliche Reduktion des perinatalen Kindstodes relativiert die Bedeutung aller anderen Endpunkte, und bedingt somit für sich die Supplementation der Schwangeren mit einer vergleichbaren Dosis, aber unterstützt auch dringend die Bestimmung des HS-Omega-3 Index® in der Schwangerschaftsbetreuung mit einem Zielbereich von 8 - 11%.
Frühgeburten werden durch Supplementation mit EPA und DHA deutlich reduziert, wie eine Meta-Analyse von entsprechenden Interventionsstudien zeigte (Kar et al, 2016). Diese Reduktion betrug 58% für Frühgeburten vor der 34. Schwangerschaftswoche, und 17% für Frühgeburten vor der 37. Schwangerschaftswoche (Kar et al, 2016). Ähnliche Daten fanden sich in früheren Meta-Analysen, auch von Cochrane (Makrides et al, 2006, Salvig & Lamont, 2011). Gemäß der aktuellen Meta-Analyse wurde durch Supplementation das Gestationsalter um 2.43 Wochen verlängert, das Geburtsgewicht um 122.1g erhöht (Kar et al, 2016). In der größten randomisierten Interventionsstudie mussten in der Interventionsgruppe signifikant weniger Neugeborene auf die Intensivstation, oder hatten Untergewicht, oder entwickelten sich langsamer (Domino, Makrides et al, 2010). Nebenwirkungen der Supplementation mit EPA und DHA waren auf dem Niveau von Placebo (Kar et al, 2016). Auch aus diesen Daten ergibt sich in unseren Augen eine starke Indikation für die Supplementation mit EPA und DHA in der Schwangerschaft. Sicherer und effektiver ist in unseren Augen eine zielgerichtete Supplementation auf den von der Natur vorgegebenen Zielwert für den HS-Omega-3 Index® von 8 – 11%.
Präeklampsie: Hohe Spiegel an EPA und DHA in Erythrozyten und Plasma bedeuten ein geringes Risiko für Hypertonie und Präeklampsie in der Schwangerschaft, wie sich in einigen, aber nicht allen epidemiologischen Studien zeigte (Brenna et al 2009, Qiu et al, 2006). In einer aktuellen großen epidemiologischen Studie war der Verzehr von EPA und DHA mit einem geringeren, der Verzehr von alpha-Linolensäure mit einem höheren Risiko für Präeklampsie verbunden (Arvizu et al, 2018). Interventionsstudien mit EPA und DHA zeigten keinen positiven Effekt, wobei hierfür Probleme beim Studiendesign angeschuldigt wurden, ähnlich wie bei den großen Interventionsstudien im kardiovaskulären Bereich (Burchakov et al, 2017).
Gestationsdiabetes: In einer Meta-Analyse von 7 Interventionsstudien waren Nüchternblutzucker und HOMA-IR durch die Gabe von EPA und DHA in der Schwangerschaft signifikant gebessert, während Makrosomie und Hyperbilirubinämie deutlich, aber nicht signifikant gebessert waren (Gao et al, 2018).
Wochenbett-Depression: Niedrige Spiegel oder niedriger Verzehr von EPA und DHA sind mit Depression in Schwangerschaft und Wochenbett assoziiert (Lin et al, 2017). Interventionsstudien an Patientinnen mit Wochenbettdepression zeigten bisher kein klares Bild, ebensowenig Interventionsstudien an Schwangeren, wobei Interventionsstudien auf Basis des HS-Omega-3 Index® fehlen (Lin et al, 2017, Wojcicki & Heyman, 2011). Die größte bisher an Schwangeren durchgeführte Interventionsstudie mit Omega-3 Fettsäuren sah keinen Effekt in der Minderung der Wochenbettdepression, wobei sicherlich die fehlende Trennung der in der Studie erreichten Spiegel von EPA und DHA beigetragen hat: zwischen Verum und Placebo überlappten die Spiegel bei 80% der Teilnehmerinnen – Ausdruck eines typischen Fehlers im Studiendesign: kein Messen des HS-Omega-3 Index® vor und während der Studie (Makrides et al, 2010, Muhlhausler et al, 2014). In anderen Interventionsstudien beugten EPA-reiche Supplemente in der Schwangerschaft der Depression in Schwangerschaft und Wochenbett vor, und reduzierten Symptome auch dann, wenn sie im Wochenbett gegeben wurden (Hsu et al, 2018). Wirksamkeit, Wirkmechansmen, Sicherheit, gute Verträglichkeit, Mangel an Alternativen und die oben diskutierte Minderung der Schwangerschaftkomplikationen sprechen für eine Supplementation mit EPA und DHA während der Schwangerschaft zur Vorbeugung einer Wochenbettdepression, wobei ein hoher Anteil EPA vorteilhaft ist (Hsu et al, 2018). Wir sehen in diesen positiven Effekten einen Grund mehr, Schwangere und Stillende auf Basis des HS-Omega-3 Index® mit EPA und DHA zu versorgen.
Aufbau von Gehirn und Augen des Kindes in der Schwangerschaft. DHA (Docosahexaensäure) ist die wichtigste Strukturfettsäure von Gehirn und Auge. Von der Schwangeren werden im dritten Trimenon (das letzte Drittel der Schwangerschaft) zum Aufbau von Gehirn und Auge des Ungeborenen täglich ca. 75 mg DHA (Docosahexaensäure) über die Placenta zum Feten transportiert (Brenna u. Carlson, 2014). Verantwortlich sind hierfür spezialisierte Proteine in der Plazenta, die aktiv und selektiv DHA transportieren (Dunstan et al, 2004, Larqué et al, 2011, Kuipers et al, 2011). Auf Basis dieser Erkenntnisse empfehlen die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und andere wissenschaftliche Fachgesellschaften Schwangeren dazu, mindestens 200 mg DHA / Tag aufzunehmen (http://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/fett/; Koletzko et al 2008), und begründen dies damit, dass sonst der strukturelle Aufbau des kindlichen Gehirns leidet, und sich komplexe Hirnfunktionen schlechter entwickeln (Details s.u.). Wir meinen, dass eine Supplementation mit dem Ziel eines HS-Omega-3 Index® von 8 – 11% früh in der Schwangerschaft begonnen werden sollte, und in der Stillzeit weitergeführt werden sollte.
In zahlreichen randomisierten kontrollierten Interventionsstudien wurde die Ernährung Schwangerer mit Omega-3 Fettsäuren in Dosierungen von 0,13 – 3,3 g EPA+DHA / Tag (zumeist um 2 g / Tag) angereichert und mit Placebo oder keiner Anreicherung verglichen (Koletzko et al, 2007, Brenna et al, 2009, Carlson 2009, Innis 2008). Parameter, die komplexe Hirnleistungen anzeigen, wie Sehschärfe, Aufmerksamkeitsspannen, Koordination von Auge und Hand, Problemlösungsverhalten o.ä. waren bei den Kindern der Mütter, die Omega-3 Fettsäuren zusätzlich eingenommen hatten, besser als bei der Kontrollgruppe ohne Omega-3 Unterstützung (Koletzko et al, 2007, Brenna et al, 2009, Carlson 2009, Innis 2008). Die besseren Fähigkeiten des Kindes korrelierten mit (EPA+) DHA Spiegeln der Mutter (wenn erfasst): Hatten Mütter in der Schwangerschaft höhere Spiegel an EPA+DHA, so war der Intelligenzquotient ihrer Kinder im Alter von 7 Jahren signifikant höher (im Vergleich zu Müttern mit niedrigeren Spiegeln, Brenna et al, 2009, Helland et al, 2008). Neue Meta-Analysen zeigten robuste positive Effekte der Supplementation von EPA und DHA in der Schwangerschaft für cognitive (psychomotorische) und visuelle Fähigkeiten frühgeborener und reifer Kinder (Shulkin et al, 2018).
Andere Parameter, die durch Supplementation in der Schwangerschaft mit EPA und DHA beim Kleinkind verbessert wurden, waren Herzfrequenzvariabilität und Schlafdauer (Gustafson et al, 2013).
n einer randomisierten Studie traten Nahrungsmittelallergien seltener bei Kindern von Schwangeren auf, die mit EPA+DHA supplementierten, als bei Kontrollen (Furuhjelm et al, 2009). Die Supplementation mit EPA und DHA in der Schwangerschaft mindert respiratorische Allergien und Neurodermitis beim Kind (Palmer et al, 2012). Entsprechende Meta-Analysen zeigten schwach positive Ergebnisse für Allergien (Best et al, 2016, Gunaratne et al, 2015).
Weniger und kürzere Erkältungen wurden bei Kleinkindern beobachtet, wenn die Mutter während der Schwangerschaft DHA supplementiert hatte (Imhoff-Kunsch et al, 2011, Escamilla-Nuñez et al, 2011).
EPA und DHA mindern Asthma bzw. persistierendes Keuchen des Kindes: Eine größere Studie zeigte positive Resultate mit einer Minderung der Symptomatik beim Kind nach Einnahme von 1,32 g EPA + 0,9 g DHA / Tag durch die schwangere Mutter (Bisgaard et al, 2016). Bei Schwangeren mit niedrigen Ausgangsspiegeln waren die Ergebnisse sehr deutlich (-53%, p=0,01)), während bei Schwangeren mit hohen Ausgangsspiegeln kein signifikanter Effekt erkennbar war (-19%, n.s.), was unsere Empfehlung einer zielgerichteten Supplementation unterstützt (Bisgaard et al, 2016). Die positiven Ergebnisse dieser Einzelstudie werden durch die positiven Ergebnisse einer entsprechenden Meta-Analyse von sieben Interventionsstudien an insgesamt 2047 Kindern unterstützt (Lin et al, 2018)
Die möglicherweise verminderte Allergie- und sicher verminderte Asthmaneigung, verbunden mit dem blanderen Verlauf respiratorischer Infekte beim Kind, sind weitere Argument für die Supplementation mit EPA und DHA in der Schwangerschaft, wobei wir eine zielgerichtete Supplementation mit einem Ziel-HS-Omega-3 Index® von 8 – 11 % empfehlen würden.
Mit der Geburt ist der Aufbau des kindlichen Gehirns nicht abgeschlossen, sondern geht in den ersten Lebensjahren weiter, und wird erst etwa in der dritten Lebensdekade abgeschlossen (Brenna & Carlson, 2014). Muttermilch enthält EPA+DHA, wobei die Konzentration von den Spiegeln und der Ernährung der Mutter abhängt (Brenna et al, 2009). Während der ersten sechs Lebensmonate erhalten gestillte Kinder durchschnittlich 1,9 g DHA, während Kinder 0,9 g DHA verlieren, wenn sie eine Flaschennahrung ohne DHA erhalten (Brenna & Carlson, 2014). Stillen, Fischverzehr und genetische Komponenten erklären etwa 25% Variabilität der DHA Konzentration bei gestillten Kindern (Harsløf et al, 2013).
Zufuhr von DHA für stillende Mütter steigert dosisabhängig den Gehalt von DHA in der Muttermilch (Brenna et al, 2009). Zufuhr von EPA ist deutlich weniger effektiv, während Zufuhr von alpha-Linolensäure ineffektiv ist (Brenna et al, 2009). In konsistenter Weise zeigten gestillte Kinder bessere Kognition als Flaschenkinder, was auf die höheren Konzentrationen an DHA im Gehirn gestillter Kinder zurückgeführt wird (Brenna et al, 2009). Dies wird durch Befunde aus Interventionsstudien gestützt: In der bisher aussagekräftigsten Interventionsstudie zeigten gesunde, reife Neugeborene, die mit DHA angereicherte Flaschennahrung erhalten hatten, nach 12 Monaten eine bessere Sehschärfe, als vergleichbare Neugeborene, deren Flaschennahrung nicht mit DHA angereichert worden war (Birch et al, 2010). Vor dem Hintergrund vergleichbarer Interventionsstudien ist die Empfehlung zur Anreicherung der frühkindlichen Babynahrung mit DHA zu bekräftigen (Koletzko et al 2007, Ryan et al, 2010). Dies wird auch von der neueren Entwicklung der Literatur gestützt (Qawasmi et al, 2012, Meldrum et al, 2014, Innis, 2014, Willatts et al, 2013).
Die Entwicklung des Kindes
Kinder der bereits angesprochenen Interventionsstudie zum Thema Asthma / persistierendes Keuchen (Bisgaard et al, 2016) wurden bis zum Alter von 6 Jahren weiter beobachtet und klinisch untersucht (Vinding et al, 2018). Im Alter von 6 Jahren wurden zusätzlich DEXA-Untersuchungen zum Bestimmung der Körperzusammensetzung durchgeführt. Im Vergleich zu den 260 Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft Olivenöl als Placebo erhalten hatten, fand sich bei den 263 Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft 1,32 g EPA + 0,9 g DHA erhalten hatten eine höhere „lean body mass“ d.h. Magermasse des Körpers (Körpergewicht minus Speicherfett, p=0,02), sowie ein höherer Mineraliengehalt der Knochen (p=0,01), bei vergleichbarem Fettanteil (Vinding et al, 2018). Diese Befunde relativieren die neutralen Befunde vorausgegangener Meta-Analysen kleinerer und methodisch fragwürdigerer Studien (Li et al, 2018;Vahdaninia et al, 2018; Stratakis et al, 2014; Hauner et al, 2012).
Meta-Analysen von epidemiologischen Studien zeigen, dass niedrige Spiegel von EPA und/oder DHA beim Kind eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Legasthenie, Autismus, Aufmerksamkeits-Defizit-hyperkinetisches Syndrom (ADHS) bedingen, wie ausführlicher hier dargestellt.
Nicht alle Probleme und Komplikationen einer Schwangerschaft können mit einer HS-Omega-3 Index®-basierten Anreicherung der Ernährung mit EPA und DHA verhindert oder behandelt werden. Aber: Ein suboptimaler HS-Omega-3 Index® (<8%) identifiziert die Frauen, die zusätzlich EPA und DHA in Schwangerschaft und Stillzeit benötigen. Aufgrund der Sicherheit und Verträglichkeit von EPA und DHA und der nachgewiesenen Wirkungen (z.B. Reduktion des Kindstods) ist ein optimaler HS-Omega-3 Index® (8 – 11%) sicherer und gesünder für Mutter und Kind als ein niedrigerer HS-Omega-3 Index®.